Anfechtbarkeit von Druckzahlungen auf Grund eines Insolvenzantrages

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Wird die Gläubigerforderung nach Insolvenzantragstellung bezahlt und nimmt der Gläubiger anschließend den Antrag zurück, ist die Zahlung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung anfechtbar. Die Zahlungsfähigkeit des Schuldners wird nicht damit herbeigeführt, dass er zur Bezahlung der aktuellen Gläubiger die Mittel verwendet, die er zur Bedienung seiner künftigen Verbindlichkeiten benötigt, BGH Urt. v. 25.10.2012 _ IX ZR 117/11.

Der Fall:

Die Beklagte stellte am 07.11.2005 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen offener Sozialversicherungsbeiträge von ca. 3.000,00 € gegen den Schuldner. Am 07.06.2006 bezahlte der Schuldner incl. inzwischen aufgelaufener weiterer Beitragsrückstände und Nebenkosten mehr als 9.000,00 €, woraufhin die Beklagte, wie vom Schuldner erbeten, ihren Insolvenzantrag für erledigt erklärte. Am 12.11.2009 wurde doch noch auf Eigenantrag vom 03.11.2009 ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Der klagende Insolvenzverwalter verlangte Rückzahlung von der Beklagten nach Vorsatzanfechtung. Die Klage war erfolgreich.

Die Entscheidung:

Die Zahlung vom 07.06.2006 war nach § 133 InsO anfechtbar. Der Insolvenzantrag ist kein legitimes Mittel, um Forderungen außerhalb des Insolvenzverfahrens durchzusetzen. Die damit erwirkten Zahlungen sind inkongruent. Die Zahlung entspricht weder dem Inhalt des Schuldverhältnisses noch wurde sie mit den vom Gesetz vorgesehenen Zwangsmitteln vom Gläubiger erwirkt. Dem Schuldner kommt es in dieser Situation nicht auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht gegenüber dem Gläubiger an, sondern er will mit der Zahlung zuallererst den Insolvenzantrag aus der Welt schaffen. Dazu nimmt er, wie der Gläubiger regelmäßig weiß, die Benachteiligung seiner übrigen Gläubiger in Kauf (Gläubigerbenachteiligungsvorsatz).

Eine inkongruente Deckung ist dabei Beweiszeichen für die Kenntnis des Gläubigers vom Benachteiligungsvorsatz, vor allem dann, wenn es – wie hier – Anlass dazu gab, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln. Solche Zweifel waren hier schon deshalb angebracht, weil der Schuldner erst 7 Monate nach Antragstellung gezahlt hat. Die Beklagte konnte und durfte bei dieser Sachlage nicht davon ausgehen, der Schuldner habe seine Zahlungsunfähigkeit überwunden. Im Gegenteil es lag sogar fortdauernde Zahlungseinstellung nahe, zumal der Schuldner mit der Zahlung erkennbar die Antragsrücknahme anstrebte.

Von der Beklagten unbestreitbar lag am 07.11.2005 Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vor. Dass sich daran bis zum Zahlungseingang etwas geändert hat, muss der Gläubiger beweisen um die Vermutung der unredlichen Zahlungsannahme zu widerlegen. Diesen Nachweis konnte die Beklagte nicht führen.

Zum Nachweis des zwischenzeitlichen Wegfalls der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners müsste die Beklagte objektive Umstände dafür belegen, dass der Schuldner die Bezahlung seiner Verbindlichkeiten im Allgemeinen, d.h. bis auf unwesentliche Ausnahmen, wieder aufgenommen hatte. Die behauptete Erklärung des Schuldners mit der Bezahlung seien alle (Alt-)Gläubiger bedient, genügt dafür nicht. Der Schuldner konnte hier bestenfalls über einen Zeitraum von 7 Monaten hinweg die damaligen Altgläubiger nach und nach befriedigen. Schiebt ein Schuldner aber so Altschulden vor sich her, ist dies ein typisches Merkmal der Zahlungseinstellung. Hinzu kam, dass der Schuldner kurze Zeit später (mehr als 2 Jahre!) abermals mit der Bezahlung anderer Verbindlichkeiten in Rückstand geriet und letztlich selbst Insolvenzantrag stellen musste.

Hinweis:

Mit der Entscheidung stellt der Senat erneut erfreulich klar, dass der Insolvenzantrag kein legitimes Druckmittel ist, um Forderungen außerhalb des Insolvenzverfahrens durchzusetzen. Gläubiger sollten also genau überlegen, ob und inwieweit sie dieses Druckmittel anwenden, um ihre Forderungen durchzusetzen. Die Freude an der so erwirkten Zahlung kann recht kurz sein, denn der Schuldner wird und sollte sich an die Druckausübung im späteren Insolvenzverfahren erinnern, kann die damals erzwungene Zahlung doch dazu dienen, den unredlichen Gläubiger zur Bezahlung der für die Verfahrenseröffnung notwendigen Mittel heranzuziehen. Am Ende könnte auch noch ein benachteiligter anderer Gläubiger auf die Idee einer Strafanzeige nach § 253 StGB kommen, um so ggf. auch außerhalb des Insolvenzverfahrens Schadenersatz von einem solventen Dritten zu erhalten. War der als Druckmittel ausgebrachte Insolvenzantrag ausführlich begründet und wurde der Antrag dann zeitnah nach Zahlung zurückgenommen, droht sogar eine suboptimale Aktenlage für die Verteidigung.

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