Mindestsatzunterschreitung beim Stufenvertrag – Wie erfolgt der Gesamtvergleich?

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Architektenrecht und Ingenieurrecht

Bei der Berechnung der Mindestsatzunterschreitung bei einem Stufenvertrag, auf den die Übergangsvorschriften der HOAI anzuwenden sind, müssen beim Gesamtvergleich die frei vereinbaren Leistungen unberücksichtigt bleiben.

 

Diese Kernaussage hat das Landgericht Chemnitz mit einem Urteil vom 10.12.2018 – 4 O 1017/17 – zu einem sehr streitigen Thema getroffen.

 

Folgender Sachverhalt lag vor:

 

Bei einem Ingenieurvertrag zur Tragwerksplanung beauftragte der öffentliche Auftraggeber zunächst die Leistungsphasen 1 bis 3 auf Grundlage der HOAI 2009. Die Leistungsphasen 4 bis 6 und 8 beauftragte der AG bei dem Stufenvertrag zu einem späteren Zeitpunkt nach dem Inkrafttreten der HOAI 2013. Neben den Grundleistungen haben die Parteien besondere Ingenieurleistungen und die bei der Tragwerksplanung ebenfalls frei vereinbare Objektüberwachung vereinbart. Die Leistungsphasen 1 bis 3 hat der AN auf Grundlage der HOAI 2009 abgerechnet. Für die Leistungsphasen 4 bis 6 und 8 fordert er das Honorar nach der HOAI 2013. Ein Gesamtvergleich unter Außerachtlassung der frei vereinbaren Leistung ergibt, dass eine Mindestsatzunterschreitung vorliegt, wenn auf alle Leistungen die HOAI 2009 angewendet wird.

 

Der AG stellt bestreitet die Mindestsatzunterschreitung und stellt einen anderen Gesamtvergleich an. Die besonderen Ingenieurleistungen und die Objektüberwachung bezieht er in die Berechnung nach der HOAI 2099 ein und bei der Berechnung nach der HOAI 2013 lässt er diese unberücksichtigt. Nachdem der AG – wenig überraschend – zu dem Ergebnis kommt, dass bei dem Stufenvertrag keine Mindestsatzunterschreitung vorliegt, klagt der Tragwerksplaner sein Honorar ein.

 

Zu Recht! Mit sehr deutlichen Worten hat das Landgericht Chemnitz klargemacht, dass bei einem Stufenvertrag, für den die Übergangsvorschriften der HOAI anzuwenden sind, der Gesamtvergleich so zu erfolgen hat, dass die nicht preisgebundenen Leistungen unberücksichtigt zu bleiben haben.

 

Dass ein Gesamtvergleich anzustellen ist, beruht auf der Vorgabe des BGH mit seinem Urteil vom 18.12.2014 – VII ZR 350/13. Wie der Gesamtvergleich zu erfolgen hat, ist streitig. Die Festlegung der Mindestsätze soll den Architekten und Ingenieuren ein auskömmliches Honorar sichern und auf diese Weise die Qualität der Architekten- und Ingenieurleistungen durch Verhinderung eines ruinösen Wettbewerbs gewährleisten. Die Einbeziehung der frei vereinbaren Leistungen in den Gesamtvergleich widerspricht diesem Sinn und Zweck.

 

Mit wohltuender Klarheit hat das LG Chemnitz der wenig schmeichelhaften Praxis der öffentlichen Auftraggeber einen Riegel vorgeschoben. Der anderslautende Anwendungserlass des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit über die „Anwendung der Übergangsvorschriften § 55 HOAI 2009 und § 57 HOAI 2013 bei Stufenverträgen“ vom 30.05.2018 dürfte unhaltbar geworden sein.

 

 

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RA Zunft

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