Nutzungswertersatz bei späterem Rücktritt vom Autokaufvertrag, BGH Urteil vom 16.09.2009 – VIII ZR 243/08

Die EU-Verbraucherrichtlinie steht der Anwendung von § 346 BGB im Rücktrittsfall nicht entgegen. Ein Verbraucher muss bei Rücktritt vom Autokauf wegen Fahrzeugmängeln Nutzungsentschädigung für die Zeit der Fahrzeugnutzung an den Verkäufer zahlen, BGH, Urteil vom 16.09.2009 Az: VIII ZR 243/08.

Der Fall:

Die Klägerin kaufte in 05/2009 beim Beklagten, einem Kfz-Händler, ein gebrauchtes Kfz für 4.100 €. Die Kaufpreiszahlung wurde über die C-Bank finanziert. Einige Zeit später erfuhr die Klägerin davon, dass der Wagen erhebliche Mängel aufwies. Nachdem sie dem Beklagten vergeblich Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt hatte, trat sie nach vorheriger Fristsetzung mit Rücktrittsandrohung vom Kaufvertrag zurück. Sie forderte Erstattung der bereits gezahlten Kreditraten sowie Freistellung von den Restverbindlichkeiten bei der C-Bank Zug um Zug gegen Fahrzeugrückgabe vom Beklagten. Nachdem die Klägerin zunächst vor dem Amtsgericht Recht bekam, wurde das Urteil später dahingehend abgeändert, dass sich die Klägerin auf ihre Forderungen den Wert der Fahrzeugnutzung als Abzugsposten anrechnen lassen muss. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Die Entscheidung:

Soweit das Berufungsgericht dem Beklagten Nutzungswertersatz als Gegenanspruch gegen die Verpflichtung zur Freistellung von restlichen Kreditraten nach § 346 BGB zubilligte, ist dies aus Sicht des Bundesgerichtshof (BGH) korrekt. Entgegen der Ansicht der Klägerin steht Europarecht (hier die Verbrauchsgüterrichtlinie RL 1999/44/EG) dem nach deutschem Recht bei Rücktritt bestehenden Anspruch des Händlers auf Nutzungswertersatz gegen den Verbraucher, § 346 BGB, nicht entgegen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 17.4.2008 (NJW 2008, 1433), Fall: Quelle gegen BV d. Verbraucherzentralen, sei hier nicht übertragbar. Der EuGH hatte dort entschieden, dass Händler dem Anspruch des Verbrauchers auf Ersatzlieferung bei Verkauf mangelhafter Ware keine Nutzungsentschädigung für die zurückgenommene Mangelware entgegenhalten dürfen. Was für die Ersatzlieferung gilt, gilt aber nicht automatisch auch für den Rücktritt. Im Gegenteil, die EU-Richtlinie erlaubt nationale Regelungen, wonach bei Aufhebung des Kaufvertrages, z.B. bei Rücktritt, neben der Rückgewähr der Hauptleistungen auch wechselseitige Wertersatzansprüche für die bis zur Vertragsaufhebung gezogenen Nutzungen vorgesehen sind (vgl. 15. Erwägungsgrund der Richtlinie). Da die Richtlinie insoweit eindeutig sei, sah der BGH keine Veranlassung zur Vorlage des Falles beim EuGH.

Anmerkung:

Die Frage, wie der Nutzungswert zu berechnen ist, wurde vom BGH aber ausdrücklich nicht mit entschieden (da insoweit keine Revisionszulassung). Im Fall war vom beklagten Kfz-Händler für die Nutzung 0,08 € je km Fahrzeugnutzung verlangt worden. Bei 30.000 km Nutzung bis zur Rückabwicklung ergab das eine Nutzungsentschädigung von immerhin 2.400,00 €. Es gibt auch andere von Gerichten gebilligte Berechnungsmethoden z.B. 0,7 % oder 1 % des Kaufpreises je 1000 km Fahrzeugnutzung zwischen Fahrzeugübergabe und Rücktritt. Die letzteren Berechnungsmethoden berücksichtigen meines Erachtens den geringeren Fahrzeugwert bei Gebrauchtwagen sachgerecht. Die im Fall vom Händler angewandte Methode (0,08 €/km) kann gerade bei älteren preisgünstigen Gebrauchtwagen dazu führen, dass der Verbraucher trotz berechtigtem Rücktritt vom Kaufvertrag das mangelhafte Fahrzeug zurückzugeben hat und statt Geld zurück unter dem Strich sogar noch etwas für die Fahrzeugnutzung an den vertragsbrüchigen Händler drauflegen muss.

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