OLG Bamberg – Nächtliche zwangsweise Blutentnahme ohne Richterbeschluss in Bayern zulässig

Ein Gutachten über die Blutalkoholkonzentration darf im Prozess als Beweismittel verwendet werden, auch wenn die Polizeibeamten dem Beschuldigten die Blutprobe nachts zwangsweise entnehmen lassen, ohne zuvor einen richterlichen Beschluss einzuholen, OLG Bamberg, Beschluss vom 20.11.2009, Az: 2 Ss Owi 1283/09.

Der Fall: Ein Betroffener war um 23.50 Uhr in eine Polizeikontrolle geraten. Der Atemalkoholtest mit einem nicht gerichtsfesten Messgerät ergab eine Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,45 mg/l. Der nachfolgende Test mit einem geeichten Gerät, Dräger Alkotest Evidential 7101, scheiterte an Atembeschwerden des Betroffenen. Darauf ordneten die Polizeibeamten, weil Sie dies immer so handhaben, kurzerhand die zwangsweise Blutentnahme an. Die Laboruntersuchung ergab einen Blutalkoholwert von 0,91 Promille. Auf Basis des Bluttests wurde der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. StVG zu einer Geldbuße mit Fahrverbot verurteilt. Dass die Polizeibeamten nicht versucht hatten, vor der Blutentnahme einen Ermittlungsrichter oder einen Staatsanwalt zu erreichen, war für das Amtsgericht kein Beweisverwertungshindernis. Auch, dass die Beamten nicht in den Akten dokumentierten, warum denn Gefahr in Verzug vorgelegen haben soll, war für das Gericht unerheblich. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die Verurteilung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Bamberg mit der Begründung, die Blutentnahme sei illegal gewesen und das Ergebnis hätte deshalb nicht als Beweis verwertet werden dürfen, blieb ohne Erfolg.

Die Entscheidung: Das OLG Bamberg vermochte keinen Verstoß gegen § 81a Abs. II StPO zu erkennen. Nach dieser Vorschrift ist für die Zwangsblutentnahme grundsätzlich ein vorheriger Richterbeschluss erforderlich. Es entspreche zwar der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass Polizei und Staatsanwaltschaft die Regelzuständigkeit des Ermittlungsrichters nicht mit dem Vorwand angeblicher Gefahr im Verzug unterlaufen dürfen. Die Beamten müssen vielmehr zumindest zunächst den Versuch unternehmen, einen Richter zu erreichen. Dies darf nach den Vorgaben des BVerfG prinzipiell auch nicht mit der Begründung unterbleiben, die Beamten wüssten, dass ein Richter zur Nachtzeit ohnehin nicht erreichbar sei (vgl. BVerfG, Beschluss v.4.2.2005 – 2BvR 308/04 NJW 2005, 1637ff sowie Beschluss. v. 12.2.2007, 2BvR 273/06 = NJW 2007, 1345f). Allerdings, so das OLG, hätten den vom BVerfG entschiedenen Fällen angeblich ganz andere Fallkonstellationen zugrunde gelegen. Denn damals hätten die Beamten bei Aufgriff des Täters um ca. 17.00 Uhr zumindest theoretisch noch die Chance gehabt, einen Richter zu erreichen, bevor sie dann um 19.00 Uhr ohne richterliche Genehmigung die Zwangsblutentnahme eigenmächtig anordneten. In Bayern besteht ein Richterbereitschaftsdienst auf Grund der Anordnung des Justizministerium Bayern v. 10.12.2007 (Gz: 2043-IV-10673/07) aber täglich nur von 6.00 Uhr bis 21.00 Uhr. Es sei deshalb hier ausgeschlossen gewesen, einen Richter vor 6.00 Uhr morgens zu erreichen, also durfte der Polizeibeamte die Blutentnahme eigenmächtig anordnen. Dass der Beamte dabei die gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation unterlassen hat, führe ebenfalls nicht zu einem Verwertungsverbot. Das Gebot effektiven Rechtsschutz des Betroffenen verlange zwar, dass die Beamten ihre maßgeblichen Gründe für die Anordnung in den Akten schriftlich festhalten müssen, um dem von der polizeilichen Gewaltanwendung Betroffenen zumindest eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit zu ermöglichen. Die fehlende Dokumentation als solche führe aber nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Und auch dass sich die Beamten keine Gedanken über die Gründe für das Vorliegen von Gefahr im Verzug machten, sondern dass sie sich auf eine allgemein übliche Polizeipraxis (in Bayern?) beriefen, war für das OLG unerheblich. Wenn, so die Richter, z.B. das OLG Hamm in ähnlichen Fällen „das Maß als voll“ angesehen hatte, und ein Beweisverwertungsverbot feststellte, sei dies auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Schließlich seien auch in den vom OLG Hamm entschiedenen Fällen die Täter noch vor 21.00 Uhr am Abend aufgegriffen worden.

Anmerkung Tja in Bayern, zumindest im OLG Bezirk Bamberg, ticken die Uhren offenbar anders. Wer die Entscheidung liest, könnte fast auf den Gedanken kommen, als wollte das Gericht vielleicht zwischen den Zeilen mitteilen: Den Gesetzestext …, ja freilich gibt es den Gesetzestext. Karlsruhe hat schon mehrfach entschieden, Aha. Und da schau her, Urteile anderer Obergerichte gibt es auch …, Ja mei. Aber wer in Bayern (zumindest im OLG Bezirk Bamberg) nachts mit Alkohol am Steuer erwischt wird, der gehört abgestraft – Basta. Im übrigen – Bayrische Polizeibeamte ordnen instinktiv immer die richtigen Maßnahmen an (Punkt) Und daher braucht es in Bayern auch keinen vorherigen Rückruf beim Richter, jedenfalls nicht nachts. Bayrische Richter haben sich ihren Nachtschlaf nämlich verdient. Auch das Justizministerium ist offenbar der Ansicht, es sei besser die Ermittlungsrichter nachts schlafen zu lassen. Sie könnten am Ende noch auf die Idee kommen, die eine oder andere von der Polizei geplante Zwangsmaßnahme sei überzogen und zu verbieten. Aber vielleicht wollte das Gericht auch einfach nur zu verstehen geben: In Bayern gibt es praktisch nachts keine Kriminalität und vor allem Betrunkene Autofahrer sind in Bayern die absolute Ausnahme. Immerhin hat das BVerfG doch auch festgestellt (vgl. NJW 2004, 1442), dass ein nächtlicher Richterbereitschaftsdienst überall dort von der Justizerwaltung einzurichten ist, wo ein über den Ausnahmefall hinausgehender regelmäßiger praktischer Bedarf für nächtliche richterliche Eilentscheidungen besteht. Offenbar ist das in Bayern nirgends der Fall.